Nun ist hier im Blog schon einige Zeit nichts Neues mehr vermeldet worden, weil technische, zeitliche und gesundheitliche Gründe das verhindert haben. Nun geht es endlich wieder weiter – mit einem traurigen Nachruf auf unseren Freund, Autor und Mitstreiter Michael Mäde. Am Donnerstag (also morgen) findet in der Maigalerie der Jungen Welt ein Erinnerung- und Gedenkabend an ihn statt (https://www.jungewelt.de/ladengalerie/index.php). Weil der Schwarzdrucker noch immer dermaßen grippal angeschlagen ist, dass er nicht dorthin kommen kann, wird er folgende dafür vorbereitete Worte dort auch nicht sprechen können. Deshalb also hier an dieser unauffälligen Stelle:

Ich habe Micha kennengelernt wie viele Verleger ihre Autoren kennenlernen: durch ein unverlangt eingesandtes Manuskript. Das fiel mir schon deshalb auf, weil Micha im Gegensatz zu den meisten anderen Einsendern ganz offensichtlich wußte, was wir bei der Edition Schwarzdruck machen und wollen. Obwohl wir nur ein ganz kleiner Verlag sind.

Zum zweiten war ich sehr angetan, dass da ein Autor noch ganz klare politische Lyrik schreibt, was Anfang der zweitausender Jahre sehr selten geworden ist. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung über das Schicksal unverlangt eingesandter Manuskripte haben wir Michas Gedichte natürlich gedruckt.

Daraus entstand eine Art Freundschaft, soweit man in der meist problematischen Beziehung eines Autors zu seinem Kleinverleger davon reden kann. Normalerweise sind Autoren mit Engagement ihrer Verleger für ihre Bücher immer unzufrieden – es ist immer zuwenig, egal was der Verleger unternimmt. 

Mit Micha war das anders: er wusste, dass ein so kleiner Verlag kaum eine Chance hat, seine Autoren „am Markt durchzusetzen“. Und er wußte, dass soetwas mit so eindeutig linker Lyrik total aussichtslos ist. Insofern hatten wir keine Probleme miteinander, dass sich dieses erste und auch die weiteren Bücher nicht wirklich gut verkauften. Wir freuten uns vielmehr darüber, dass es trotzdem und ohne irgendwelche Förderungen sehr anständige Bücher geworden sind, die die Welt durchaus verbessern könnten, wenn man sie denn lesen würde. 

Und Micha hatte auch verstanden, dass ich nicht jedes seiner Manuskripte machen konnte – sowohl ökonomisch als auch zeitlich. Dass das für Micha nicht leicht zu akzeptieren war angesichts seiner Krankheit dürfte jedem klar sein. 

Micha hatte eine bei Autoren seltene und merkwürdige Haltung zumindest zu seinen bei uns herausgegebenen Büchern. Wie alle Autoren freute er sich über jedes neue Buch. Aber sobald das gedruckt war, war es für ihn erledigt. Er stellte zur Verzweiflung seines Verlegers fast alle Bemühungen ein, dieses Buch irgendwie zu bewerben. Ich weiß bis heute nicht, ob das eine besondere Form von Bescheidenheit war. Oder ein Ausdruck von Selbstbewusstsein. Oder ob er schon wieder von anderen Sachen getrieben wurde. Für Bücher anderer Autoren aus unserem Verlag hat er sich aber immer nach Kräften eingesetzt: mit Rezensionen, Veranstaltungen, dem Anbieten dieser Bücher in der Ladengalerie. Er war aus meiner Sicht immer ein sehr solidarischer Kollege und Freund, auf den man sich verlassen konnte und der seinen Humor trotz aller scheußlicher Zeitenwenden behalten hat.

Nun haben wir nur noch unsere Erinnerungen an ihn. Und bleiben werden seine Texte. Die erstaunlicherweise und gleichzeitig erschreckenderweise viel länger aktuell bleiben als man das von oft tagespolitisch inspirierter Lyrik erwartet hätte. Das liegt nicht nur daran, dass die Welt in den letzten Jahrzehnten kaum besser geworden ist, sondern auch daran, dass Micha eben ein sehr kluger Dichter war, dessen Worte und Gedichte sehr lange im Kopf bleiben können. Mir wird eine Zeile – ich glaube aus einem Text über den 9. 11. – immer gegenwärtig bleiben. Micha schrieb darin von den Schwierigkeiten im Kampf gegen die, „die gar nicht davonkommen wollen“. Er wollte – in einem anderen Sinn – auch nie davonkommen. Nun ist er uns abhanden gekommen. Aber „davongemacht“ hat er sich nicht.