Zum „Deutschen Verlagspreis“
und den „Interessenvertretern“ der „unabhängigen“ Verlage hat der Schwarzdrucker einen Brief an die Kulturbeauftragte der Bundesregierung Frau Professor Grütters geschrieben. Als Anregung für ebenfalls empörte Kollegen „drucken“ wir ihn hier ab:
Sehr geehrte Frau Professor Grütters,
Sie sind Schirmherrin und Veranstalterin des »Deutschen Verlagspreises« und haben dafür eine sehr anständige Summe zur Verfügung gestellt. Das finde ich – als Verleger, Leser und Bücherfreund – zunächst einmal sehr schön und bedanke mich dafür. Aber leider wird mit diesem Preis auch eine seit Jahren zu beobachtende Entwicklung fortgesetzt, welche Verlagsförderung zu einer ziemlichen Klüngelwirtschaft macht. Ich schreibe Ihnen als Verleger (oder meinetwegen auch »Kleinverleger«), der in den letzten 20 Jahren über hundert Bücher verlegt hat, die auch im Buchhandel zu haben waren oder sind. Und bin damit einer von mittlerweile vielen hundert Kleinverlagen, die Bücher meist nur aus Idealismus, aber trotzdem professionell machen … und die eben offenbar keine Lobby haben, wie auch die Vergabe des »Deutschen Verlagspreises« entgegen seiner Intentionen leider wieder zeigt.
Meine Kritik betrifft einerseits die Teilnahmekriterien und andererseits die Einhaltung selbiger. Denn mein Verlag ist einer der vielen, der durch die Teilnahmebedingungen ausgeschlossen wurde (weshalb ich auf eine Bewerbung verzichtet habe – wie sicherlich viele andere auch). Und nun muss ich bei der Veröffentlichung der Liste der 60 ausgezeichneten Verlage mit Verärgerung obendrein zur Kenntnis nehmen, dass nicht einmal alle Ausgezeichneten diese Teilnahmebedingungen erfüllen. In Ihrem Grußwort schreiben Sie, dass dieser Preis die Vielfalt und Qualität der deutschen Verlagslandschaft fördern soll. Und dass Sie gerade den »kleinen und unabhängigen Verlagen« dabei Erfolg wünschen. Deshalb wohl wurde der Preis in Partnerschaft mit dem Börsenverein und der Kurt-Wolff-Stiftung vergeben. Das sieht auf den ersten Blick erstmal sehr professionell aus, ist es bei näherer Betrachtung aber leider nicht.
Die Kurt-Wolff-Stiftung tritt häufig als Vertreter der »unabhängigen« Verlage auf. Offenbar ist dort eine Menge Geld im Spiel, denn die in den sogenannten »Freundeskreis der Kurt-Wolff-Stiftung« aufgenommenen Verlage werden sehr mannigfaltig gefördert: über Preise, regelmäßige Publikationen, quasi exklusive Veranstaltungen und Messeauftritte und mehr. Aber leider vertritt diese Stiftung bei weitem nicht »die« (– also alle?) »unabhängigen Verlage« (wie sie immer gern behauptet bei öffentlichen Auftritten zum Beispiel anläßlich des Urteils zur Verlagsausschüttung der IG Wort), sondern nur einen ganz kleinen Teil davon: nämlich die Großen unter den Kleinen. Also die etwa hundert »Kurt-Wolff-Verlage«. Es wurden auch die letzten Jahre nicht wirklich nennenswert mehr – wegen ganz einfacher Klauseln in den »Bedingungen, um dort aufgenommen zu werden«.
Dort ist nämlich aufgeführt, dass »Kurt-Wolff-Verlage« konzernunabhängig sein müssen, keine Druckkostenzuschußverlag sein dürfen, Geist und Anspruch sowie ein regelmäßiges Programm mit mindestens vier Titeln pro Jahr haben und schon mindestens zwei Jahre am Markt sein müssen. Soweit ist das alles verständlich und vernünftig – auch wenn man sich sicherlich darüber streiten kann, was ein »Druckkostenzuschussverlag« ist …
Aber dann kommen die Klauseln, die es der großen Masse der wirklich kleinen und unabhängigen Verlage unmöglich macht, zu diesem elitären Kreis der »Wolff-Verlage« gehören zu dürfen:
• »Der Verlag muss seinen Büchern eine ISBN-Nummer geben.«
Das ist noch kein ganz großes Problem, weil man ja anders praktisch nicht über den Buchhandel verkaufen kann. Allerdings gibt es im Zeitalter der Digitalisierung mittlerweile und zunehmend auch Verlage, die das anders machen und beispielsweise nur über das Web verkaufen oder direkten Kontakt zu einzelnen Buchhandlungen pflegen.
• »Der Verlag muss eine professionelle Auslieferung haben«.
Das ist ein echter Gummiparagraph und wird sehr restriktiv verwendet. Auf meine Nachfrage erklärte man mir mehrfach, dass damit konkret gemeint sei: der Verlag müsse Buchhandelsvertreter beschäftigen. Das ist in meinen Augen völlig widersinnig. Zum einen reden in vielen Verlagen die Verlagsvertreter sehr in verlegerische Entscheidungen hinein und karikieren damit durchaus die Bezeichnung »unabhängig«. Und zum anderen: im Zeitalter der Digitalisierung und mittlerweile tausender kleiner und kleinster Verlage ist diese Bedingung ein sehr antiquiertes Relikt aus der rein analogen Zeit. Man stelle sich mal vor, wirklich jeder anständige Verlag würde Vertreter übers Land schicken … Und: was ist »unprofessionell« daran, wenn ein Verlag auf andere Werbemedien setzt und die Auslieferung an den Buchhandel selbst übernimmt? Wenn das funktioniert kann es doch gar nicht »unprofessionell« sein?
• »Der Verlag muss im Börsenverein sein« und »Der Verlag muss eine Verkehrsnummer haben«.
Das eine bedingt das andere. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich mir nicht, weshalb ich es für eine reine Förderung der nicht gerade preiswerten Mitgliedschaft im Börsenverein halte. Immerhin kostet die Mitgliedschaft in der billigsten Ausführung für Verlage mit 0 bis 100000 Euro Umsatz (was für eine Differenzierung!) um die 600 Euro aufwärts jährlich. Für Verlage mit nur einigen tausend oder zehntausend Euro Jahresumsatz ist das schon eine Summe, die man nicht unbedingt aufbringen möchte, wenn man kaum etwas hat von einer Mitgliedschaft in der Lobbyvereinigung des Buchhandels, der sich ja verständlicherweise nicht unbedingt für Kleinverlage engagiert. Und man bezahlt ja schon für die ISBN-Nummern und diverse andere Mitgliedschaften allerhand, was letztlich nur dem Buchhandel zugute kommt.
• »Der Verlag muss bei den Barsortimenten vertreten sein«.
Das ist ein echtes KO-Kriterium für viele Kleinverlage. Zum einen ist das Barsortiment quasi monopolisiert in diesem Land. Es gibt gerade mal drei Anbieter, von denen einer ja gerade so der Pleite entronnen ist. Für Buchhändler ist das Barsortiment der bequemste Weg, Bücher zu bestellen. Für Verlage und Kleinverlage ist es ein sehr teurer Weg und steht keinesfalls jedem Verlag offen, weil die Barsortimenter natürlich auch nicht jeden Verlag aufnehmen. Je kleiner der Verlag, desto schlechter werden auch die Konditionen. Und welches Risiko darin steckt, hat die Fast-Pleite von KNV ja gezeigt. Prompt meldete sich auch gerade die Wolff-Stiftung (mal wieder als angebliches Sprachrohr »aller unabhängigen Verlage«) mit der Forderung nach (notfalls auch staatlicher) Rettung von KNV. Abgesehen davon, dass der rein technische Weg, wie die Bücher in den Buchhandel kommen, für die Beurteilung der »verlegerischen Leistung« m.E. gar kein Maßstab sein kann – solange die Bücher auf auch anderen und keinesfalls unseriösen Wegen beim Buchhändler und Käufer ankommen. Bei Wikipedia ist zu lesen, dass nur etwa die Hälfte der Veröffentlichungen im deutschen Sprachraum über Barsortimenter vertrieben werden. Das ist sicherlich viel, aber eben nur die eine Hälfte.
Die beiden letzten Kriterien: »muss eine Webseite haben« und »darf keinen Umsatz über 5 Millionen Euro« haben scheinen mir vernünftig und außerhalb der Kritik.
Warum schreibe ich Ihnen das so ausführlich?
Weil die Kriterien zur Aufnahme in die »Kurt-Wolff-Verlage« nahezu identisch mit den Kriterien zur Verleihung des »Deutschen Verlagspreises« sind. Was einerseits den Verdacht auf einen sehr erfolgreichen Lobbyismus sprießen lässt und andererseits mindestens etliche hundert Verlage von diesem Preis ausschließt. Es ist so natürlich kein Zufall, dass fast alle ausgezeichneten Verlage zum erlesenen Kreis der Freunde der Kurt-Wolff-Stiftung gehören. Und somit wird der Preis zu einer bloßen Förderung eben dieser recht wenigen Verlage, die sich natürlich mittels ihrer Aufnahmeklauseln etwaige Konkurrenz verständlicherweise gut vom Leibe halten und »unter sich bleiben«. Mehr als nur »Geschmäckle« bekommt das noch, wenn »Kurt-Wolff-Verlage« nicht einmal diese Kriterien erfüllen, dann aber trotzdem ausgezeichnet werden. Fair ist das nicht.
Wenn man als ambitionierter Verleger versucht, in den erlauchten Kreis der »Kurt-Wolff-Verlage« zu gelangen, wird man fast immer durch die Aufnahmebedingungen und den zusätzlichen Hinweis, dass Ablehnungen durch das Kuratorium nicht begründet werden, ausgeschlossen. Wenn man dann versucht, mit diesen Leuten trotzdem den Sinn dieser Bedingungen zu diskutieren, bekommt man den Verweis auf die Stiftungssatzung, die vom Geldgeber bestimmt wurde und auf die der Vorstand keinen Einfluss hat. Mal abgesehen davon, dass der Vorstand ja auch kein Interesse an einer Veränderung dieser für seine Mitglieder so komfortablen Position hat. Meine gleichlautenden Anfragen bezüglich des Verlagspreises wurden übrigens ebenso beantwortet: Sowohl Kritik an den Teilnahmebedingungen als auch an fragwürdigen Preisträgern ist Angelegenheit des Veranstalters und geht den Vorstand der Kurt-Wolff-Verlage (obwohl Partner des Veranstalters) nichts an.
Deshalb wende ich mich nun an Sie.
Der Geldgeber (der Kurt-Wolff-Stiftung) und Veranstalter (des deutschen Verlagspreises) sind letztlich Sie – wenn ich als Nichtjurist und in Unkenntnis der internen vertraglichen Konstruktionen die Auskünfte vom aktuellen Vorstand richtig verstanden habe. Also läge es doch vermutlich in Ihrer Macht, diese Kriterien zu verändern und einer veränderten Zeit anzupassen. Und vielleicht sogar dann auch wirklich einzuhalten. Wollen Sie das nicht wenigstens mal versuchen?
Selbst wenn solches Bestreben innerhalb der Kurt-Wolff-Stiftung sicherlich auf möglicherweise unüberwindbaren Widerstand treffen würde, dann wäre es doch zumindest für den »Deutschen Verlagspreis« – so er nochmal aufgelegt werden sollte – eine Möglichkeit, den Horizont über diese rund hundert privilegierten Verlage hinaus zu erweitern. Ich hab gelesen, dass es zur Zeit einige tausend ernsthaft und überwiegend auch professionell arbeitende Verlage in Deutschland gibt. Durch technische Entwicklung sowohl in der Produktion im grafischen Gewerbe als auch durch die Digitalisierung (sprich Internet) bei den Vertriebswegen ist es ja gerade in den letzten 15, 20 Jahren erst wirklich möglich geworden, wirtschaftlich halbwegs vernünftig (bzw. durchhaltbar) auch mit einem eher geringen Startkapital kleine Verlage zu betreiben, was natürlich zu wahnsinnig vielen Verlagsgründungen führte.
Zieht man also die wirklich großen Konzerne mit ihren verschiedenen Labels und die zirka hundert »unabhängigen« Kurt-Wolff-Verlage von der Gesamtmenge ab, bleiben immer noch etliche hundert (oder sogar viel mehr?) tatsächlich unabhängige Verlage, die durchs Raster dieser antiquierten und lobbyistischen Teilnahmebedingungen fallen und trotzdem zahlreiche wichtige, gute Bücher machen. Und für fast alle wären 15000 Euro und die öffentliche Anerkennung ein geradezu gigantischer Förderungsschub. Vor allem wenn man sich die viel zu seltene, aber oft mühselige und bürokratische sonstige Förderung von kleinen Verlagen und ihren Druckprojekten ansieht, wo es fast immer auch noch um geradezu lächerlich kleine Beträge geht.
Eine Veränderung der Teilnahmebedingungen würde also einen »Deutschen Verlagspreis« ermöglichen, der die Vielfalt und Qualität der verlegerischen und literarischen Landschaft in diesem Land weitaus besser fördern würde als die Verteilung von Geldern an die ja doch schon sehr etablierten und sowieso – im Vergleich – reichlich geförderten Verlage. Wobei ich betonen möchte: natürlich machen auch die »Kurt-Wolff-Verlage« hervorragende und wichtige Bücher und ich möchte sie in unsere Verlagslandschaft keinesfalls missen.
Aber eben diese Verlagslandschaft ist doch weitaus vielfältiger und größer als es die bisherigen Teilnahmebedingungen des »Deutschen Verlagspreises« abbilden. Sie werden verstehen, dass all die zahlreichen hart arbeitenden Verleger, Autoren, Mitarbeiter und natürlich auch Leser und Fans der so bisher ausgeschlossenen Verlage die Begeisterung über den neuen Verlagspreis nicht unbedingt teilen und auch gern zumindest eine faire Chance darauf hätten.
In der Hoffnung, dass Sie sich tatsächlich durch diesen langen Text »durchgekämpft« haben, auf ein Nachdenken darüber und vielleicht sogar eine Antwort verbleibe ich auch im Namen zahlreicher Kollegen
mit freundlichen Grüßen
Marc Berger
Gransee, den 19. September 2019
Nun warten wir mal ganz entspannt, ob und was für eine Antwort kommt.