Der herbe Monolog

Ein Lyrikzyklus von Arthur West

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Über den »herben Monolog« von Arthur West Diese Zeilen sind kein Vorwort, keine Interpretation der Gedichte von Arthur West. Sie sind der Versuch einer Danksagung. Wenn man von einem Menschen, von einem Dichter, auf so tiefe und poetische Weise beschenkt wird, verbietet sich die literarische Abwägung und Vermessung eines solchen Geschenkes, der literaturkritische Kommentar. Es sind Gedichte, die dem Tode ins Auge sehen und noch einmal das Leben, das ganze Leben beschreiben. Ich fühle mich von der Wahrhaftigkeit, mit der dies geschieht, beschenkt und gestärkt. Das poetische Wort ist frei von jeder Rücksicht, auch gegen sich selbst. Es berichtet von allen Erniedrigungen, von jeglicher Mißachtung und Aussonderung und von Angst, von größter Angst, die keine Zuflucht nehmen will zu naheliegenden und falschen Tröstungen. Es ist das poetische Dokument eines mutigen Menschen: die zunehmende Schwäche des Körpers, das immer mühsamer werdende Atmen, machen den Ruf nach der Wahrheit nicht leiser, nicht ängstlicher, nicht vorsichtiger, im Gegenteil, es ist, als würde jetzt, mit verbrauchter Stimme, endlich alles gesagt. Wie er es sagt: als würde man mit ihm vor einem Spiegel stehen, als hätte er die Kraft, das Leben – im Angesicht des Todes – immer lauter zu beschwören. Einen Lehrling des Abschieds nennt er sich in einem seiner Gedichte und ist doch ein Meister. Was für eine Hilfe für unsere eigenen Unausweichlichkeiten. Was für eine Aufforderung gegen unsere eigenen Ängstlichkeiten. Was für ein Geschenk für die Verbleibenden.

Danke, Arthur.

Peter Turrini

Bibliothek Weltverbessernder Lyrik • No. 6 • Vorwort von Peter Turrini • Berlin 2001 • 72 Seiten • 12 x 20 cm • Schutzumschlag mit einem Linolschnitt von Roland Berger • 333 numerierte Exemplare • ISBN 978-3-935194-08-2 • 11 Euro

Arthur West (1922-2002), Wiener jüdischer Kommunist, schrieb Dramatik, Lyrik, etwas Prosa, Essays, kulturpolitische und politische Aufsätze und zahlreiche Nachdichtungen.

IV

LAUBFALL

 

Leg sie denn ab, all die vorfabrizierten

liebensunwürdigen Redensartigkeiten;

wisch das verbindliche Lächeln

der Unverbindlichkeit weg

und mühe dich – spät, aber doch – deinen Schnabel

so wachsen zu lassen, wie du

nun reden mußt. Die Feigen nur nehmen

ein Feigenblatt vor den Mund, ihre

Scham zu verblümen; du aber redest

in Herbheit: im Herbst, da auch das

Feigenlaub fällt.

 

Denn herb ist’s, dem Frühling so fremd allen Küssen

das Duftkleid vom blühenden Leibe zu reißen, damit er

das Schauern erlerne – und dich schmerzt doch

die Herbheit, du liebst ihn?

Gib Antwort: Du liebst doch die Liebenden?

 

Gewiß, es ist herb.

 

Doch herber, dem Sommer in Stille und Träume

als wütender Hagel zu prasseln, die Nester

der sanften Geborgenheit – ja, auch das deine! –

fordernd vom Baum der Unkenntnis zu schütteln?

Ist’s herber – du liebst doch die Träumenden?

 

Gewiß, dies ist herber.

 

Doch am herbsten, dem Herbst den Oktober zu trüben:

sein blutendes Fahnenlaub immer aufs neue

ätzend auf Echtheit zu prüfen; aus dem Takt

seiner Schnitter zu fallen, wenn ihren Wegen

Verwegenheit fehlt und das Dankfest

das Denkfest verdrängt?

Und du liebst doch die Erntenden? Sag:

doch am herbsten,

auf dich ihre Herbheit zu laden anstatt

ihrer Liebe; in ihren Reihen nicht Maß, nur

Vermessenheit sein – und so

einsam wie nirgends?

 

Dies ist am herbsten.

 

Und dennoch

wirst du es tun?

 

Ich werde es dennoch tun.

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