Pablo de Rokha
Pablo de Rokha (1894-1968) gilt als eine der wichtigsten und eigenständigsten lyrischen Stimmen nicht nur der chilenischen, sondern der lateinamerikanischen Literatur schlechthin. Er brach mit der gekünstelten Schreibweise seiner Zeitgenossen und öffnete die Tore der Moderne noch vor den entsprechenden Werken Huidobros und Nerudas. Er kultivierte eine große Vielfalt literarischer Formen von gereimten Gedichten über eine vom Surrealismus inspirierte automatische Schreibweise bis hin zu großdimensionierten Prosagedichten. Dabei entwickelte er ästhetische Formeln, die ihm einen Bezug auf die umgebende (auch politische und soziale) Realität ermöglichte, indem er sie durch wirkungsvolle poetische Bilder jenseits eines platten Realismus gestaltete. In vielen seiner Werke finden sich die Landschaften und das Volkstum Chiles in farbigen und von der Sprache des Volkes durchdrungenen Schilderungen.
Wenn nach de Rokhas Tod sein Werk aufgrund fehlender Ausgaben fast in Vergessenheit geriet, so ist seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Auseinandersetzung mit seiner literarischen Gestalt festzustellen, ein Prozess, der sich in einer wachsenden Zahl von Werkausgaben, akademischen Studien und Übersetzungen manifestiert.
Die hier vorliegende Anthologie „Mein Herz brüllt wie ein rotes Tier“ unternimmt es zudem zum ersten Mal, mit einer Auswahl das poetische Schaffen von Winétt de Rokha, der Ehefrau Pablo de Rokhas und Pionierin der von Frauen geschriebenen Lyrik in Chile dem Vergessen zu entreißen. Wenngleich sie sich durch einen eigenen Stil auszeichnet, ist Pablo de Rokhas lyrisches Werk ohne die Existenz seiner Frau, auf die er sich in vielen Werken bezieht, nicht vorstellbar.