Quijotes letzter Auszug
Ein Monolog nach Cervantes
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Leseprobe
In diesem Monolog für einen Schauspieler bringt Steffen Mensching endlich die Wahrheit über den berühmten Don ans Licht.
Bibliothek Weltliteraturerklärenden Lesestoffes · No. 5 · 2001 · 60 Seiten · Jeder Band: 12 x 20cm ·
Schutzumschlag mit einem Linolschnitt von Roland R. Berger · jede Auflage 333 numerierte Exemplare · ISBN 978-3-935194-06-8 · 10 Euro
Autor, Clown, Schauspieler, Regisseur; Jahrgang 58;
geboren und aufgewachsen in Berlin (Ost), seit 2008 Intendant am Theater Rudolstadt, zahlreiche Veröffentlichungen.
www.steffen-mensching.de
Hätt ich ihn nie getroffen. Ich wäre nicht der, der ich bin, ich wär ein anderer, vielleicht ein Toter, ein Sonderling, eine Provinzgröße. Kein Verfolgter. Kein halbnackter Greis vor Gibraltar. Das Buch, eine einzige Lüge. Alles falsch. Nicht alles. Das meiste. Vieles. Eine Menge. Gewisse Passagen. Vor allem der Schluß. Dennoch: Nicht schlecht geschrieben. Unstrittig, ein Talent. Es gibt schlechtere Bücher. Vergnüglich, spannend, amüsant – so die Kritik, einhellig – man legt es nicht mehr aus der Hand, ein Meisterwerk – ich hätt ihn vor die Türe setzen müssen, Schreiberlinge, Pack, wie die Kletten. Ich war ein nutzloser Mensch. Jetzt kann ichs sagen, Cervantes – ich sollte dankbar sein, bins nicht – zeichnete mich bieder, redlich, brav, all das, ich war es nie, im Gegenteil, ein schlechtes Beispiel, eine Schande. Mein Hof verluderte, die Fliegen kümmerten sich um die Wirtschaft mehr als ich, der seine Kammer nur verließ, die Notdurft zu verrichten. Körperpflege? Ich kannte kaum das Wort, im Vergleich zu mir duftete Sancho wie eine Rose, und er stank schon beträchtlich. Die Bücher nahmen den Geruch an, säuerlich. Verdorben. Unlesbar. Für fremde Nasen. Mein Zustand. Ein Skandal. Selbst für das 16. Jahrhundert, die in Hygienefragen toleranteste Epoche. Ein Nichtsnutz. Faul. Es ging bergab, mit mir, dem Gut. Seit zwanzig Jahren unglücklich verliebt. Und niemand wußte es. Nur ich. Lebensuntüchtig stand ich vor dem Ruin. Die Bande – Nichte, Pfarrer, Barbier – lag mir beständig in den Ohren. »Komm auf den Pfad der Tugend, arbeite, besuch die Messe, wasch dich.« Ich war längst taub. Die letzte Bürgschaft, die ich besaß, mein lächerlicher Adel. Davon schweigt die Historie. Angeblich, um mir neuen Lesestoff zu kaufen, verschleuderte ich, unter Preis – so der Roman – diverse Felder. Barer Unsinn. Ich stopfte Schuldenlöcher. Verschloß mich, weil mir die Gläubiger die Tür einrannten. Wenn das so weitergeht, wirst du verrückt. Dacht ich. Ein Geistesblitz. Warum denn nicht?